Vereint durch Individualität
Der Trend geht weg vom Trend. „In“ ist eine durch Vorbilder inspirierte Vielfalt. Wie wir uns kleiden, wohnen und einrichten, ist Ausdruck unseres individuellen Lebensstils, aber auf Basis eines Zugehörigkeitsgefühls – und mit einem wachsenden Bewusstsein für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Auch auf der Ambiente 2019, der internationalen Leitmesse für Konsumgüter, war das Besondere Trumpf. Nachwachsende Rohstoffe und recycelte Materialien gaben dabei den Ton an. Regionale Handwerkskunst brachte den Gegenpol zum massenproduzierten Einheitsbrei einer globalisierten Welt. Innovationen zogen Kraft aus Traditionen, das zeigte auch die Präsentation des Gastlandes Indien. Doch die Vielfalt brauchte einen roten Faden, und so boten drei Metatrends den Besuchern Orientierung und eine Möglichkeit zur Identifikation.
Ein bisschen Brian…
„Jaa, wir sind alle Individuen!“ – dieser Satzt spukt mir im Kopf herum, während ich über die Ambiente 2019 schlendere. Er stammt aus dem Film „Das Leben des Brian“ von Monty Python. Brian, der neue Messias wider Willen, ruft seinen Anhängern vom Fenster aus zu „Ihr seid doch alle Individuen!“ Und dann schallt es zur Bestätigung kollektiv aus der Menge zurück.
Doch, ich auch! Und auch die 136.000 Fachbesucher auf der Ambiente 2019 waren Individuen. Sie kamen aus 166 Ländern und wurden bei dem riesigen Angebot aus den Bereichen Wohnen, Einrichten und Dekorieren (Living), Tischkultur (Dining) und Geschenk- und Gebrauchsartikel (Giving) garantiert fündig. In diesem Jahr präsentierten 4.451 Aussteller aus 92 Ländern ihre Designs. Eine große Auswahl für jeden Geschmack, differenziert und dennoch geeint durch das Nachhaltige, Besondere. Ich bin Brian. Meine Frau ist auch Brian. Und dies ist seine Flasche. Handgefertigt. Aus recycelten Materialien.
Die neue Natürlichkeit
Nachhaltigkeit, Recycling und die Sehnsucht nach der Natur, nach der Einfachheit im Komplexen, waren auf der Ambiente 2019 überall präsent. Wie ein Anker geben klassisches Design, Handwerk und die Besinnung auf Traditionen neuen Halt in einer sich schnell verändernden Welt, in der Individualität und der Ausdruck der eigenen Persönlichkeit einen hohen Stellenwert genießen.
Dies war auch in der Präsentation des Gastlandes Indien zu spüren. Der Ausstellungspavillion unter dem Motto „Hand Make“ stand ganz im Zeichen traditioneller Architektur und Handwerkskunst. Designer und Kurator Ayush Kasliwal betonte den hohen kulturellen Stellenwert der Handarbeit in seinem Heimatland und illustrierte dies mit sorgfältig ausgewählten Exponaten. Das kulturelle Erbe ist zugleich wirtschaftliche Chance für die Zukunft und ein wichtiger Gegenpol zur Massenproduktion, den es zu stärken gilt.
Traditionen neu beleben
Ein ähnlicher Ansatz war auch bei den Talents zu finden, der internationalen Riege der Newcomer, die auf der Ambiente 2019 ihre Arbeiten erstmals dem ganz großen Publikum zeigten. Solide Handwerkskunst und der Wunsch, aus der Quelle kultureller Identität etwas Neues zu kreieren, das über die Grenzen des eigenen Landes hinaus Erfolg und Bestand hat, ließ einzigartige Designs entstehen.
Not, Krieg und Vertreibung waren auch Thema auf der Präsentationsfläche „MADE 51“, die Kunsthandwerk von Geflüchteten zeigte und diesen so eine neue Verdienstquelle erschloss. Bunte Farben, natürliche Materialien und strukturierte Oberflächen, dazu der individuelle Charme des Handgemachten – das alles passte gut zu der Suche nach dem Besonderen, auf der sich die Einrichtungsbranche derzeit befindet. Entsprechend gut wurden die Stücke angenommen, wie ich während einer Führung hörte.
Die drei Meta-Trends
Bei aller Vielfalt, die auf der Messe zu sehen war, konnten Trendforscher drei Hauptströmungen ausmachen, die den modernen Lifestyle definieren. Diese Trends 2019 präsentierte das Stilbüro bora.herke.palmisano auf der Ambiente in der Galeria und betonte dabei, dass Recycling, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit als übergreifende Themen zu sehen sind.
1. „Tasteful Residence“
In der zeitlos-eleganten, geschmackvoll eingericheten Wohnwelt weht ein Hauch von Luxus. Hier findet man satte Farben, samtige Oberflächen und den ein oder anderen Eyecatcher in Form besonderer Designstücke. Hochwertige Materialien werden durch vollendete Handwerkskunst veredelt. Dazu gehören auch Strukturen, wie zum Beispiel 3D-Reliefs. Die „Tasteful Residence“ sei die ideale Inspiration für die Gestaltung von Verkaufsräumen und Schaufenstern, sagen die Kuratoren der Sonderfläche Trends 2019. Und haben recht, denn wenn ich an die Wohnkonzepte auf der imm 2019 denke, dann hatte dieser Trend dort einen ganz hohen Stellenwert.
2. „Quiet Surrounding“
So luxuriös die “Tasteful Residence”, so bescheiden und zurückhaltend geht es im „ruhigen Umfeld“ zu. Dieses von Achtsamkeit geprägte Zuhause ist Ruhepol und Rückzugsort im hektischen Alltag. Hier schaltet man einen Gang runter, liebt und ehrt das Schlichte und Ursprüngliche. Wolle, Leinen, Holz und Keramik sind nur einige der natürlichen und oftmals recycelten Materialien, die sorgsam bearbeitet zur Gestaltung des Umfelds beitragen. Dabei geben sanfte Farben den Ton an.
3. „Joyfilled Ambience“
Der dritte Trend ist bunt und fröhlich. Erlaubt ist alles, was gefällt und der eigenen Persönlichkeit Ausdruck verleiht. Langweilig war gestern. Hier sind die Kombinationen unorthodox, spielerisch und voller Lebensfreude. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Muster- und Farbmixe sind hier ebenso erlaubt wie der Einsatz vielfältiger, oftmals recycelter Materialien. Hier ist Platz für Tapeten mit botanischen Motiven oder für geometrische, übergroße Dekore.
Design mit Objektcharakter
Handwerk – das bedeutet zu einem guten Teil auch Unverwechselbarkeit, denn kein Objekt ist wie das andere. So erlangten besonders die Stücke hohe Aufmerksamkeit, die nicht nur innovativ mit Material, Form und Farbe umgehen, sondern auch einen hohen Grad an Können seitens des Designers unter Beweis stellten. Die sorgfältige Bearbeitung von Oberflächen, das Herausarbeiten von Strukturen oder aber auch die Perfektion des Unperfekten stechen besonders heraus, genau wie die Einfachheit des Designs bei gleichzeitig hoher Funktionalität. Das war zum Beispiel beim Design aus Japan zu beobarten.
Immer wieder zu finden waren auf der Ambiente 2019:
- farbiges Glas, glatt oder mit Strukturen,
- Pflanzen – gerne auch künstlich (Handwerk eben)
- Objekte aus Metall in den angesagten Farbtönen, also Gold, Messing und Kupfer
- Samt, Leinen, Holz und Wolle, Ton, Keramik, Steinwaren, Bambus und andere Materialien pflanzlichen Ursprungs,
- organische Formen, die einen Hauch von Retro mit sich brachten
Neben der ansprechenden Optik durch Muster, 3D-Oberflächen und Strukturen spielt auch die Haptik eine große Rolle. Die Dinge, mit denen wir uns umgeben, sollen nicht nur schön aussehen, sie sollen sich auch gut anfühlen. Natürliche Materialien sind hier der ideale Rohstoff. Sie sind nicht nur vielseitig, sondern eben auch nachhaltig und ökologisch verträglich und treffen so gleich doppelt den Nerv der Zeit.
Wer noch mehr lesen möchte: Weitere Informationen und Eindrücke von der Ambiente 2019 gibt es auf der Website der Messe und auch dort im Blog. Die nächste Ambiente findet statt vom 7. bis 11. Februar 2020.
Ich mache hier die Klammer zu und schließe – selbstverständlich im Scherz – mit einem Clip aus dem bereits zitierten Film. Bis zum nächsten Mal und danke fürs Lesen!
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